2013-08-26 21:19

Nachlese zur FrOSCon 2013

Am letzten Wochenende fand die 8. FrOSCon in St. Augustin statt.

Die FrOSCon ist mittlerweile die drittgrößte Open Source Konferenz im deutschsprachigen Raum. Das Vortragsprogramm war wieder mal voll mit interessanten Themen. Es gab also genau keinen Grund, nicht hinzugehen.

Hier eine kurze Nachlese der Vorträge, die ich besucht habe.

Samstag

Verkehrte Welt - Linux im High Performance Computing war ein interessanter Überblick über den Einsatz von Linux auf Supercomputern. Dies ist ein Heimspiel für Linux, der Marktanteil liegt bei gut 95%. Viele positive Nachrichten, locker und souverän präsentiert - der ideale Vortrag zur Einstimmung auf eine zweitägige Linux-Konferenz.

SmartSarah ist ein System zur Heimautomatisierung, bei dem konsequent auf offene Standards gesetzt und mit pragmatischen Ansätzen vorgegangen wird. Von IPv6 über 6LoWPAN bis zu CoAP eröffnete sich eine Welt voller Abkürzungen, die meisten davon sind für mich neu. Ein interessanter Einführungsvortrag zum Thema, der einiges an Nacharbeit erfordert, wenn man in diesem Gebiet wirklich fit werden möchte.

Die Keynote How to make money from Open Source today wurde von MySQL- und MariaDB-Gründer Monty Widenius präsentiert. Die Keynotes waren ja immer mein Haupt-Kritikpunkt an früheren FrOSCon-Ausgaben. Umso erfreulicher, dass in diesem Jahr ein Sprecher verpflichtet wurde, der nicht nur in der Open Source Szene sehr bekannt und geschätzt ist, sondern auch die Geschäftsmodelle hinter Open Source Software verstanden hat und dementsprechend viel zu sagen hat.

Ganeti war eines der beiden Themen, auf die ich mich in diesem Jahr am meisten gefreut habe. Bei Ganeti handelt es sich um eine Managementsoftware für Virtualisierungscluster, neudeutsch auch als IaaS Cloud bezeichnet. Der Vortrag beleuchtete Ganeti aus einer eher abstrakten Perspektive und beschrieb die Möglichkeiten der individuellen Anpassung und den Einsatz innerhalb des Google Konzerns.

Tiki Wiki CMS Groupware ist eine umfangreiche webbasierte Software zur Gruppenkommunikation und Online-Zusammenarbeit. Es wurden nicht nur die zahlreichen Möglichkeiten und Features der Software gezeigt, sondern auch Einblicke in die Philosophie des Entwicklungsmodelles hinter Tiki und dessen Vorteile und Grenzen aufgezeigt. Besonders gefallen hat mir an diesem Vortrag die Kombination aus einem präzisen und fokussierten Aufbau und einer lockeren, humorvollen Präsentationsweise. Für mich einer der besten Vorträge der diesjährigen FrOSCon.

Inspecting a multi-everyting Linux machine handelte von den Möglichkeiten der Performanceanalyse auf Linux-Systemen, die mit vielen CPU-Kernen, viel RAM und mehreren Festplatten ausgestattet sind und auf denen ein gemischter Workload gefahren wird. Ausgehend von der (mangelhaften) Aussagekraft des Load Average zeigte der Referent Tools und Methodik zur Analyse der potenziellen Flaschenhälse der Hardware, wobei neben Standardtools auch selbst entwickelte zum Einsatz kamen. Bei diesem technischen Thema ist eine gewisse Trockenheit nicht zu vermeiden. Mit der nötigen Aufmerksamkeit konnte man jedoch eine Menge aus diesem Votrag mitnehmen.

Container basierte MultiSeat-Systeme fiel etwas aus dem Rahmen. Linux Containers gehören zu den jüngeren Entwicklungen im Linux-Kernel, und zumindeste die Userland-Tools gelten als noch nicht ausgereift. Multiseat Systeme mit X11 aufzusetzen ist ein schwieriges Thema, bei dem die Beschränkungen der Hardware und des X11-Systems an zahlreichen Stellen Probleme bereiten. Beides zu kombinieren, ist ein gewagtes Unterfangen. Trotz der optimistischen Herangehensweise des Referenten förderte der Vortrag, teils unfreiwillig, zahlreiche Probleme und Schwachstellen zutage, die mit dieser Kombination heute verbunden sind. Dass die darauffolgende Vorführung scheitern würde, war fast schon vorprogrammiert. Gratulation an den Referenten für den Mut, etwas so unvollkommenes zu präsentieren und damit aufzuzeigen, dass es im Linux-Umfeld immer noch viele ungelöste Probleme gibt.

Sonntag

SystemTap - Skripten im Kernelspace war ein interessantes Thema, bei dem ich mich wundere, davon vorher noch nie etwas gehört zu haben. SystemTap (stap) ist eine Programmiersprache, deren Compiler ein in C geschriebenes Kernelmodul ausgibt. Dieses wird anschließend mit GCC compiliert und geladen. Es kann sich an bestimmten Stellen im Kernel einklinken, die Laufzeit von Kernelfunktion messen, kernelinterne Variablen protokollieren und bei Bedarf sogar verändern. Der Referent zeigte gekonnt den Umgang mit und den Nutzen von SystemTap, sparte aber auch nicht mit eigener Kritik bezüglich einiger Designentscheidungen der Macher.

Hochverfügbare Firewalls mit Keepalived und Conntrackd stellte die beiden im Titel genannten Systeme vor. Mit Conntrackd können die Zustandsinformationen der Connection Tracking Funktionalität des Netfilter-Stacks zwischen mehreren Firewall-Maschinen synchronisiert werden. Keepalived ist eine einfache Clustersoftware, die das Failover zwischen zwei Firewalls regelt und dabei leichter zu administrieren sein soll als ausgewachsene Cluster-Stacks. Für mich ein sehr informativer Vortrag, da ich ähnliche Systeme mit anderen Softwareprodukten bereits aufgesetzt habe, aber diese beiden Pakete noch nicht kannte.

MySQL Performance Schema steht seit MySQL 5.5 zur Verfügung, ist aber erst mit MySQL 5.6 standardmäßig aktiv und damit in den Fokus vieler Administratoren gerückt. Im Vortrag wurde gezeigt, was man damit machen kann, wie viel Performance es kostet und wie am besten mit dem Trade-off zwischen Informationsgehalt und Performaceeinbußen umgegangen wird.

Anschließend war ein Vortrag über AsciiDoc im Programm vorgesehen; für mich das zweite Highlight der diesjährigen FrOSCon. Leider fiel der Vortrag aus mir unbekannten Gründen aus. Im selben Saal fand aber ein kurzfristig angesetzter Vortrag statt, der für vieles entschädigte:

Persistenz - Why NoSQL can’t write handelte von der schwierigen Aufgabe an Datenbanksysteme, Daten transaktionsbasiert und zuverlässig auf die Festplatte zu schreiben und dabei performant, vorhersagbar und skalierbar zu bleiben. Der Referent zeigt am Beispiel von MySQL/InnoDB auf, welche Strategien dabei benutzt werden, was man davon erwarten kann und wo die Unterschiede zu gängigen NoSQL Systemen einerseits und PostgreSQL andererseits liegen. Tiefes technisches Wissen gepaart mit einer ordentlichen Portion Humor und Sarkasmus machte den Vortrag auch für diejenigen Leute zum Genuss, die eigentlich wegen AsciiDoc im Saal saßen.

Objektorientierung ohne Vererbung ist ein Paradigma, dass ich in der letzten Zeit mehrfach gehört habe. Der Referent beleuchtete anhand der Programmiersprache Ruby die Möglichkeiten der Vererbung und stellte in der Literatur verbreitete Kritik an den Vererbungskonzepten und dem inflationären Umgang damit dar. Ein interessanter Vortrag von einem kompetenten Entwickler, der (mir) allerdings letztendlich eine pragmatische Empfehlung, wie und wieviel vererbt werden soll, schuldig blieb.

Unternehmenskulturen unter Druck war ein Vortrag, der ganz anders als die vielen zuvor gehörten technischen Themen war. Man lehnt sich entspannt zurück, lauscht den souverän präsentierten Ausführungen der Vortragenden und ertappt sich beim permanenten Kopfnicken. Ja, genau so läuft es beim eigenen Arbeitgeber, beim Kunden oder in früheren Projekten. Und ja, es gibt zahlreiche Gründe, warum sich daran genau gar nichts ändern wird…

DevOps - Das neue Schwarz war als letzter Vortrag der FrOSCon genau das Richtige. Auch hier konnte man sich entspannt zurück lehnen. Denn die umfangreiche Aufzählung allseits bekannter Methoden und Tools täuschen nicht darüber hinweg, dass das Augenmerk des Vortrages rein nichttechnischer Natur ist. Es geht um die Betonung, wie wichtig die DevOp Methodik ist und welche Vorteile man, verglichen mit traditionellen Operations-Konzepten, damit erhält.

Wie immer sind die beiden Tage rasend schnell vergangen. Wie immer alte Bekannte getroffen, interessante Gespäche geführt, viele Notizen zwecks späterer Vertiefung gemacht. Wie immer darüber geärgert, dass viele interessante Vorträge parallel stattfinden und man sich entscheiden muss. Und vorgenommen, im nächsten Jahr auch mal einen Vortragsslot auszulassen und die Ausstellung anzuschauen. Oder vielleicht im übernächsten.

Nachtrag (2013-09-10): Ab sofort sind zahlreiche Videos der FrOSCon 2013 online verfügbar.