2016-03-21 23:52

Chemnitzer Linuxtage 2016

Am 19. und 20. März 2016 fanden die Chemnitzer Linuxtage statt. Für mich war es der zweite Besuch dieser mittlerweile größten deutschsprachigen Veranstaltung über Freie und Open Source Software.

Auch diesem Jahr waren die CLT erstklassig organisiert. Alles ist gut beschildert, überall hängen Plakate oder werden per Monitor/Beamer Informationen präsentiert. Die Homepage wird auch während der Veranstaltung aktualisiert, auch in den sozialen Netzwerken sind die Veranstalter gut präsent.

Durch die hohe Teilnehmerzahl muss man sich allerdings überall auf Wartezeiten einstellen, vom Eintritt über die Mittagessensausgabe bis hin zu den Toiletten.

Wie immer habe ich zahlreiche Vorträge besucht. Nach den positiven Erfahrungen im letzten Jahr habe auch wieder ein Workshop belegt, diesmal über Git.

Samstag

Mit leichter Verspätung wegen der Schlangen bei Registrierung und Workshop-Ticketverkauf erreichte ich den ersten Vortrag Auf den Elch gekommen: Logfile-Analyse mit ELK-Server. Es wurde die gleichnamige Software vorgestellt, mit deren Hilfe man gängige (und auch weniger gängige) Logfile-Format parsen und strukturiert aufbereitet anzeigen lassen kann.

Perl 6 wurde nach 10-jähriger Entwicklungszeit vor drei Monaten in einer ersten stabilen Version veröffentlicht. Höchste Zeit, einen vertieften Blick auf die neuen Features und Sprachänderungen zu werfen, die in Das beste aus Perl 6 eindrucksvoll präsentiert wurden. Der Vortrag lieferte in 1,5 Stunden einen Überblick über die Neuerungen und scheute punktuell auch vor Tiefe nicht zurück. Zwei Schwerpunkte bildeten die funktionalen Eigenschaften und die Hilfsmittel zur nebenläufigen Programmierung. Für mich sieht Perl 6 sehr spannend aus. Zwei Wehmutstropfen gibt es aber: zum einen die noch stark verbesserungswürde Performance des Interpreters, der immer noch um Faktor 3-5 langsamer ist als Perl 5. Zum anderen war ich etwas enttäuscht von der kleinen Zuhörerschaft, die dieser sehr gut gemacht Vortrag angelockt hat.

Nach der Mittagspause gab es bewährte Kost mit neuen Inhalten in Form des Vortrags Aktuelle Entwicklungen beim Linux-Kernel von c’t Redakteur Thorsten Leemhuis. Durch den Prominenzfaktor des Referenten war der Saal gestopft voll. In rekordverdächtigen 257 Folien gab es zunächst einem groben Überblick über die beiden letzten Kernelversionen 4.4 und 4.5 sowie das kommende Release 4.6, danach Einblicke in längerfristige Entwicklungen bei einigen Subsystemen wie Grafik, Filesystemen und Netzwerkfunktionen. Erwähnt wurden auch Meta-Aspekte wie das Entwicklungsmodell und Konflikte auf der Linux-Kernel-Mailingliste.

Im direkten Anschluss, aber in deutlich geruhsameren Tempo gab der nächste Vortrag Wie werde ich Kernel Hacker Einblick in das Entwicklungsmodell der Kernel-Entwickler. Hier ging es nur minimal um Technik, hauptsächlich aber um Organisation und Kommunikation auf den Mailinglisten und mit den Subsystem-Maintainern. Aus dem Vortrag wurde deutlich, dass es ein steiniger Weg sein kann, Verbesserungen im Kernel zu platzieren. Wenn man sich dabei zu ungeschickt anstellt, kann dieser Weg sogar unmöglich werden.

linuxmuster.net – der Weg in die Nachhaltigkeit war ein interessant aufgebauter und gut präsentierter Vortrag über das Projekt linuxmuster.net, in dem eine universell verwendbare Lösung für einen Linux-Server und eine Desktop-System-Verwaltung für Schulen gepflegt wird. In der ersten Hälfte lieferte der Referent, ein Lehrer aus Baden-Württemberg, zunächst eine Beschreibung der Anforderungen für den IT-Betrieb in Schulen, die von Ressourcenknappheit, IT-Halbwissen seitens der Lehrerschaft sowie der Experimentierfreude der Schüler geprägt sind. Darauf aufbauend stellte er die Lösungen von linuxmuster.net vor, an deren Entwicklung er selber seit Jahren beteiligt ist. Nach der eher funktionalen Beschreibung ging es im zweiten Teil um die Geschichte des Projektes, das ursprünglich als “pädagogische Musterlösung” (paedML) aus Landesmitteln gefördert als Kooperation zwischen Schulen begonnen hat. Zwischenzeitlich wurde es durch Bürokratie und politische Willkür zunächst eingestellt, mittlerweile lebt unter dem Namen ursprünglichen Namen paedML eine technisch ganz andere Lösung weiter. Linuxmuster.net ist als Fork aus dem alten paedML hervorgegangen und wird seither unabhängig von staatlicher Zuwendung auf Vereinsbasis weitergeführt. Für mich einer der interessantesten Vorträge und eine Software, die ich unbedingt testen möchte.

Unter dem etwas geheimnisvollen Titel Was Brot kaufen und Cloud Computing gemeinsam haben verbarg sich laut Programm eine Einführung in Amazon Cloud Services; faktisch war es aber zum größten Teil Marketing für die Nutzung der Cloud Angebote, gepaart mit etwas Recruiting. Am Rande kamen jedoch auch einige Neuerungen der Amazon Angebote zur Sprache, und es wurde der neue Dienst “AWS Lambda” beleuchtet, mit dem man ereignisgesteuert eigenen Programmcode ausführen lassen kann. Erst auf Nachfrage aus dem Publikum wurde auch auf die Open Source Aktivitäten von Amazon eingegangen.

Den Abschluss des Samstagsprogramms bildete mit UTC, NTP, Timezone – Wie geht Systemzeit? ein Vortrag über Zeitsynchronisation mit NTP. Der Vortrag wurde unterhaltsam präsentiert und lieferte einen guten Überblick über die Probleme und Begrifflichkeiten bis hin zur Einrichtung des NTP Daemons und dessen Statusausgaben. Wer das schon selber eingerichtet hat, erfuhr jedoch nicht all zu viel neues.

Sonntag

Am Sonntag vormittag habe ich den dreistündigen Workshop über Git: Vom Einstieg bis zur Teilnahme an Open-Source-Projekten besucht. Die beiden Referenten stellten in der ersten Stunde Git als verteiltes Versionskontrollsystem vor und beleuchteten in der zweiten die Arbeit mit einem lokalen Repository. In der dritten Stunde ging es um die Zusammenarbeit mit Hilfe geclonter Repositories, Pushes und Pulls. Am Ende wurden diese Methoden über die webbasierte Oberfläche von Github vorgeführt.

Der wohl am besten besuchte Vortrag war ein nichttechnischer: Die Leiden eines Sysadmins im Umfeld kleiner Unternehmen behandelte die Probleme eines auf Kleinstunternehmen spezalisierten Dienstleisters. Es ging um Kunden, die sich für IT nicht sonderlich interessieren, naive Vorstellungen von den Aufgaben des Administrators haben oder an allen Ecken und Enden sparen wollen. Einen breiten Raum nahmen aber auch die Probleme ein, die ein Kleinunternehmen trotz Business-Vertrag mit einem Riesen wie Vodafone und der Deutschen Telekom bekommen kann.

Mathematik mit Maxima behandelte das Computeralgebra-System Maxima, dessen Wurzeln bereits in die frühen 80er Jahre zurück reichen. Nach einem kurzen Einführungsteil bestand der Vortrag hauptsächlich aus einer Live-Vorführung der Möglichkeiten von Maxima. Der gut vorbereitete Referent zeigte eindrucksvoll die Vielseitigkeit und Leistungsfähigkeit des Systems. Für mich etwas, dass ich mir auf jeden Fall näher anschauen möchte.

Den Abschluss bildete mit Docker in der Lehre ein Vortrag über das derzeit stark präsente Thema Containerisierung. Aufhänger war der Einsatz von Docker durch den Referenten, selber Student und Tutor an einer Universität, beim Aufbau einer Entwicklungsumgebung mit Datenbank und Application Server in der Programmierausbildung. Abgesehen von der Wahl der Beispielcontainer hatte der Vortrag jedoch keinen speziellen Bezug zur Lehre, sondern behandelte die Arbeit mit Docker.

Und sonst?

Dieses Jahr habe ich für die An- und Abreise das Angebot von Freedom Tours genutzt. Der Bus erspart einem nicht nur die nervige eigene Anfahrt durch den Berufsverkehr am Freitag nachmittag, sondern lässt durch die Besetzung mit Gleichgesinnten die CLT faktisch bereits am Freitag Mittag beginnen. Daneben bucht Birgit von Freedom Tours auch direkt das Hotelzimmer. Um eines der begehrten Einzelzimmer zu ergattern, muss man sich aber bereits im Dezember entscheiden – also lange bevor das Programm der CLT veröffentlich wird.